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Lebensqualität statt Lebensquantität – Hospizbewegung und Palliativmedizin

Ein menschenwürdiges Lebensende ist auch heute leider keine Selbstverständlichkeit, aber der Fokus liegt mehr auf individueller Betreuung als auf maximaler Lebensverlängerung. Hier leisten Hospize und Palliativmedizin wertvolle Hilfe für Sterbende.

Die heutige schnelllebige Gesellschaft, deren Werte sich vorrangig an Aktivität und Vitalität orientieren, hat das Sterben mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Krankheit und Tod haben in der modernen Realität keinen Platz mehr. Gleichzeitig verfügt die Medizin über immer mehr Medikamente und Behandlungsmethoden, um das Leben auch und gerade bei schweren Erkrankungen zu verlängern. Die Praxis zeigt jedoch, dass es in vielen Fällen gar nicht so sehr auf die Lebensquantität ankommt. Immer mehr Menschen haben erkannt, dass Sterbende pflegerische, psychosoziale und auch spirituelle Bedürfnisse haben, die nur individuell durch persönliche Betreuer und Angehörige erfüllt werden können, um das Leben schmerzfrei und würdig zu beenden.

So wurde in Zeiten eines noch ungebrochenen Fortschrittsglaubens in den Industrieländern in London im Jahr 1967 das erste Hospiz als eine besondere Einrichtung für Sterbende gegründet. Gleichzeitig entwickelte sich die Palliativmedizin als ärztliches Spezialgebiet. Diese Ideen fanden in vielen anderen Ländern schnell zahlreiche Nachahmer. In Deutschland gibt es heute in nahezu jeder größeren und mittleren Stadt Hospize oder entsprechende ambulante Dienstleister. Krankenhäuser und Pflegeheime verfügen über Palliativstationen und vielerorts bieten karitative Einrichtungen und spezialisierte Hausärzte Beratung und Unterstützung für Hilfesuchende.

Im Mittelpunkt der palliativen Versorgung steht der Patientenwille, der entweder persönlich geäußert oder in der Patientenverfügung hinterlegt wird. Handlungsleitend sind außerdem ärztliche Diagnosen und Prognosen über den Gesundheitszustand, die in aller Offenheit mit dem Patienten, den Angehörigen und den betreuenden Personen besprochen werden. Grundsätzlich gilt es, den Wünschen des Patienten zu entsprechen, ausgenommen sind lediglich gesundheitsschädigende Maßnahmen. Ein ganz entscheidendes Merkmal der palliativen Versorgung ist die psychische Betreuung und Zuwendung für den Patienten, die immer wichtiger werden, je näher der Moment des Todes rückt.

Das Interesse am humanen Umgang mit dem Sterben nimmt stetig zu, denn immer noch ist die Realität von Überforderung und zunehmender Hilflosigkeit der pflegenden Angehörigen sowie unzureichender psychologischer Betreuung aller Beteiligten gekennzeichnet. Während aktuell rund 50 Prozent der Menschen in einem Krankenhaus und 20 Prozent im Pflegeheim sterben, haben Umfragen zufolge 90 Prozent den Wunsch zu Hause zu sterben. Hospizen und Palliativstationen kommt daher eine stetig wachsende Bedeutung zu, weil sie die menschenwürdige Alternative bieten, wenn eine Krankenhausbehandlung nicht mehr gewollt wird oder aus medizinischer Sicht nicht erforderlich ist.

Karsten Mohr

Bild:
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